Die Türkei hat die Internetseiten der Deutschen Welle (DW) und des US-Auslandssenders Voice of America (VOA) gesperrt und so die Sorge um die Pressefreiheit im Land weiter verstärkt. Die DW-Webseiten sind seit Donnerstagabend in der Türkei blockiert, wie der deutsche Auslandssender in Bonn selbst mitteilte.
Die Sender-Aktivitäten in den sozialen Medien waren demnach nicht von der Sperre betroffen. Erst vor einiger Zeit hatte Russland das Moskauer Büro der Deutschen Welle geschlossen und Internetangebote blockiert.
Die Türkei hatte schon länger mit einem solchen Schritt gedroht, nun setzte die Rundfunk-Aufsichtsbehörde RTÜK die Sperrung per Gerichtsbeschluss durch. Sie begründete dies damit, dass die Deutsche Welle nicht die erforderliche Zulassung habe.
Ein Jahr vor der nächsten Wahl
Kritiker werten den Schritt als politisch motiviert und befürchten ein Jahr vor den nächsten Wahlen eine weitere Aushöhlung der Pressefreiheit in der Türkei. Die Sperrung könnte auch die Beziehungen von Berlin und Washington zu Ankara belasten. Gerade erst wurde ein diplomatischer Streit zwischen dem Westen und der Türkei um einen Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands beigelegt.
Die Bundesregierung äußerte sich am Freitag zurückhaltend und teilte mit, man habe die Meldung über die Sperrung «mit Bedauern zur Kenntnis genommen». Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte: «Unsere Sorge um die Lage der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei besteht fort.»
Die deutsche Medienstaatsministerin Claudia Roth teilte der Deutschen Presse-Agentur zur Sperrung mit: «Das ist eine schlechte Nachricht für die ohnehin schon eingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei.»
Deutsche Welle will gegen Sperre vorgehen
Die Kontrollbehörde hatte von ausländischen Sendern vor Monaten verlangt, eine Lizenz für Internetseiten-Angebote zu beantragen. Die DW ging nach eigenen Angaben darauf nicht ein, «weil eine Lizenzierung die Zensur von redaktionellen Inhalten durch die türkische Regierung ermöglicht hätte». Intendant Peter Limbourg sagte, beispielsweise seien lizenzierte Medien zur Löschung von Online-Inhalten verpflichtet, die die RTÜK für unangemessen erachte. «Das ist für einen unabhängigen Medienanbieter schlicht inakzeptabel.» Die Deutsche Welle kündigte an, juristisch gegen die Sperre vorzugehen.
Die Rundfunkbehörde verteidigte die Sperrung als vereinbar mit türkischem Recht. Sobald eine Lizenz beantragt werde, könne ein Gericht die Blockade auch wieder aufheben. Dabei stützt sich die islamisch-konservative Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan auf eine seit 2019 geltende Regelung. Damit wurde eine weitreichende Kontrolle von Internet-Plattformen eingeführt, die Filme, Videos oder Radioinhalte verbreiten.
Monatlich rund 35 Millionen Zugriffe
Nach DW-Angaben stößt das eigene Angebot in der Türkei auf steigendes Interesse. Über die Webseite und Social-Media-Kanäle auf YouTube, Twitter, Facebook und Instagram erreichte das Programm nach DW-Angaben monatlich rund 35 Millionen Zugriffe im ersten Halbjahr 2022, sieben Mal so viele wie 2018 im gleichen Zeitraum.
Türkische Medien stehen zum Großteil unter direkter oder indirekter Kontrolle der Regierung. Auch Inhalte im Internet unterliegen starker Regulierung. Im Parlament wird zurzeit ein Gesetzesentwurf diskutiert, der die Verbreitung von angeblichen Falschinformationen im Internet unter Strafe stellen soll.
Die Deutsche Welle zeichne sich seit Jahren durch unabhängige journalistische Berichterstattung über «die permanenten Einschränkungen der Demokratie in der Türkei» aus, sagte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, der dpa. Dies solle nun knapp ein Jahr vor Präsidentschafts- und Parlamentswahlen offenbar unterdrückt werden. Die Wahlen in der Türkei stehen regulär im Juni 2023 an. Erdogan hofft auf eine Wiederwahl.
Auch der Vorsitzende des Deutschen-Journalistenverbands DJV, Frank Überall, wertete den Schritt als politisch motiviert. «Die Sperre der Deutschen Welle ist durch nichts anderes zu rechtfertigen als durch pure Willkür der Erdogan-Autokratie.»