Große Tech-Konzerne machen Front gegen EU-Pläne für neue Regeln im Digital-Geschäft. Apple kritisiert, der Digital Markets Act (DMA) gefährde in seiner aktuellen Form Sicherheit und Datenschutz der iPhone-Nutzer.
Facebook warnt vor zu strikten Vorgaben, die Innovationen abzuwürgen drohten. Die EU-Kommission will mit dem bereits im Dezember vorgestellten Digital-Paket die Marktmacht von Tech-Riesen in Europa einschränken und für mehr Wettbewerb sorgen.
Eine zentrale Idee dabei ist, Unternehmen mit besonders großer Marktmacht und vielen Zugängen zu Verbrauchern als «Gatekeeper» (Torwächter) auszumachen und mit strikteren Wettbewerbsvorgaben zu belegen. Experten gehen fest davon aus, dass Apple, Google, Facebook und Amazon nach den aktuellen Kriterien zu Gatekeepern erklärt werden.
Aus der Branche kommt von Anfang an Widerstand gegen das Digital-Paket. Apple kritisiert speziell, dass der Konzern gezwungen sein werde, andere App Stores auf seinem iPhone zuzulassen. Eine solche Öffnung der Plattform werde heutige Maßnahmen zum Schutz der Nutzer aushebeln, argumentierte Apple in einem am Mittwoch veröffentlichten Papier.
Der Konzern verweist unter anderem darauf, dass alle Apps und Updates auf seiner Plattform von Software und menschlichen Prüfern untersucht werden, um betrügerische Anwendungen herauszufiltern. Außerdem müssten sich Entwickler an Apple-Vorgaben zum Datenschutz halten. Beim sogenannten Sideloading, bei dem Apps auf das iPhone aus anderen Quellen als dem offiziellen Store geladen werden, entfielen diese Sicherheitsvorkehrungen, betont Apple.
Auch Nutzer, die sich danach ausschließlich auf Apples hauseigenen App Store verlassen wollten, wären stärker gefährdet, warnt der Konzern. Zum einen, weil manche Apps dann nur noch aus anderen Quellen verfügbar sein könnten. Zum anderen, weil die neue Situation Kriminellen mehr Anreize gäbe, das iPhone mit seinen Vielzahl an wertvollen Daten anzugreifen.
Apples App-Store-System steht gerade unter Druck. Unter anderem endete vor wenigen Wochen ein Prozess in Kalifornien, in dem der Spiele-Anbieter Epic Games («Fortnite») die Öffnung der Plattform für andere App-Plattformen erreichen will. Ein Urteil steht noch aus. Epic wendet sich unter anderen dagegen, dass für digitale Geschäfte auf Apples Plattform eine Abgabe von 15 bis 30 Prozent fällig wird und man als Entwickler das System des Konzerns für In-App-Käufe nutzen muss. Auch US-Gesetzesentwürfe für mehr Wettbewerb in der Tech-Branche nehmen das Geschäftsmodell ins Visier. Apple-Chef Tim Cook habe auch der Chefin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, seine Einwände dagegen vorgebracht, schrieb die «New York Times».
In dem Papier zu den Gefahren durch andere App-Quellen verwies Apple zwar nicht direkt auf den geplanten Digital Markets Act (DMA) der EU-Kommission – Cook brachte die Risiken aber vor wenigen Tagen ausdrücklich damit in Verbindung. Aktuelle DMA-Formulierungen «würden Sideloading auf dem iPhone erzwingen», sagte Cook in einem Interview auf der Technologie-Konferenz Vivatech. «Wie wir das sehen, würde dies die Sicherheit des iPhones und viele Datenschutz-Initiativen zerstören, die wir in den App Store eingebaut haben», kritisierte er.
Facebooks Politikchef Nick Clegg zeigte sich jüngst besorgt, europäische Politiker könnten mit einigen DMA-Vorgaben zu tief ins Design digitaler Produkte eingreifen. Die Gefahr dabei sei, kurzlebige Funktionen in Stein zu meißeln und so den Fortschritt zu bremsen. Clegg brachte auch ins Gespräch, bei einigen geplanten Maßnahmen zu prüfen, ob die Verbraucher tatsächlich davon profitieren würden. Insgesamt warnte er, man dürfe nicht denken, dass «der einfache Versuch, nichteuropäischen Unternehmen die Flügel zu stutzen, europäische Firmen erfolgreich machen werde».
Auch die Branchenvereinigung Digitaleuropa kritisiert unter anderem, dass die Kommission zu großen Ermessensspielraum bei der Gatekeeper-Definition habe und die Regelungen für rechtliche Unsicherheit sorgen könnten. Auch könnten davon Plattformen und Dienste negativ betroffen werden, die gar nicht im DMA-Fokus stünden, heißt es in einem Positionspapier der Organisation.