Kampf dem Schneckentempo-Internet, weg mit den Funklöchern: Mit einer umfassenden Gigabitstrategie will die Bundesregierung Maßnahmen zu einer besseren Internetabdeckung anschieben und Deutschland wettbewerbsfähig halten. Ein entsprechendes Papier beschloss das Kabinett am Mittwoch in Berlin.
«Wir wollen die Rückstände der vergangenen Jahre aufholen und wollen bis zum Jahr 2030 flächendeckend eine Versorgung mit Glasfaser überall dort ermöglichen, wo Menschen leben, arbeiten oder unterwegs sind», sagte Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP).
Auch der Mobilfunk-Ausbau im 5G-Standard solle «überall auf höchstem Niveau» erfolgen. Als Etappenziel soll jeder zweite Haushalt im Jahr 2025 reine Glasfaser-Verträge buchen können.
Die Strategie war lange erwartet worden, Eckpunkte dazu hatte Wissing bereits im März vorgestellt. Das umfangreiche Dokument enthält ein Bündel an Maßnahmen zu unterschiedlichen Ausbauaspekten. Teilweise haben die Ausführungen nur Empfehlungscharakter, da die Zuständigkeiten bei den Bundesländern und Kommunen liegen.
Ballast abwerfen
Im Kern geht es um den Abbau von Bürokratieballast. So sollen zum Beispiel Genehmigungsverfahren für Mobilfunk-Masten, die nur für eine begrenzte Zeit an einem Ort sind, gar nicht mehr nötig sein. An anderen Standorten soll das Behördenprozedere beschleunigt werden.
Auch für die zügigere Verlegung von Glasfaser enthält das Papier Verbesserungsvorschläge: Dank simpler Verlegetechniken soll es schneller gehen, und mancherorts soll Glasfaser überirdisch an Holzmasten aufgehängt werden – dadurch entfällt die zeitraubende Buddelei. Zudem soll ein «Gigabit-Grundbuch» eine bessere Übersicht über die aktuelle Versorgung und künftige Vorhaben bieten.
Bundesminister Wissing sprach von einem «digitalen Aufbruch», der mit der Strategie erreicht werden solle. «Home-Office, Streaming im ICE und Empfang auf der Berghütte müssen endlich problemlos möglich sein.» Man schaffe nun die Bedingungen, um den Ausbau schneller und effizienter zu machen.
«Ich will, dass Deutschland die modernste digitale Infrastruktur bekommt», sagte Wissing. Dafür will er nun auch die Länder in die Pflicht nehmen. Es solle einen ständigen Ausschuss geben. Denn die Länder sind für die Genehmigungsverfahren zuständig. Und vor Ort gibt es nicht selten Bürgerinitiativen gegen neue Sendemasten.
Bald viel zu viele Förderprojekte?
Umstritten ist das in der Strategie ebenfalls enthaltene Thema Glasfaser-Ausbauförderung. Ende 2022 entfällt eine Schwelle von 100 Megabit pro Sekunde. Nur in Gegenden mit schlechteren Werten dürfen bisher mit staatlichem Geld neue Kabel verlegt werden. Künftig sind Fördervorhaben in viel größeren Gebieten möglich.
Die Telekommunikationsbranche sieht das mit Sorgen: Sie warnt davor, dass dann viel zu viele Förderprojekte gestartet würden. Baufirmen wären völlig überlastet und der Ausbau fände auch dort statt, wo nur wenige Haushalte sind – anstatt andernorts mehr Wirkung zu erzielen. Der Ausbau würde ausgebremst, auch weil geförderter Ausbau zwei bis drei Mal so lange dauere wie eigenwirtschaftlicher Ausbau, warnt zum Beispiel Stephan Albers vom Glasfaser-Verband Breko.
Dem Strategiepapier zufolge bleibt es beim Wegfall der 100-Megabit-Schwelle. Allerdings soll erarbeitet werden, wo das größte Ausbaupotenzial ist – das soll als Wegweiser dienen. Allerdings ist dies eine eher schwache Vorgabe – die Ergebnisse der «Potenzialanalyse» sollen «keine unmittelbare Sperrwirkung» haben, wie es in dem Dokument heißt. Das heißt: Länder und Kommunen könnten Fördervorhaben auch in Gegenden gutheißen, die laut Potenzialanalyse gar nicht im Fokus stehen sollten. Immerhin soll regelmäßig evaluiert werden, wie es läuft mit der Förderung.
Ausbau zu langsam und zu teuer?
David Zimmer vom Telekommunikationsverband VATM reagierte enttäuscht. Er warf der Bundesregierung bei der Glasfaser-Förderung unstrukturiertes Vorgehen vor, was den Ausbau zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verlangsamen und verteuern werde.
Aus der Politik kamen andere Reaktionen. Der digitalpolitische Sprecher der oppositionellen Unionsfraktion im Bundestag, Reinhard Brandl (CSU), betonte, dass keine Gebiete für Förderungen gesperrt würden – das sei eine sehr positive Nachricht «insbesondere für Kommunen im ländlichen Raum, die sonst möglicherweise jahrelang auf eine Förderung des Bundes hätten warten müssen».
Themen wie schnellere Genehmigungsverfahren stießen in der Internetbranche und in der Industrie hingegen auf Wohlwollen. Die Firmen ärgern sich seit langem über den föderalen Flickenteppich. «Damit die Versorgung mit Gigabit-Netzen in der Fläche kein Wunschdenken bleibt, braucht es dringend einen Beschleunigungsturbo im Bauen und Planen», sagte Iris Plöger vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Antragsteller hätten bisher mit insgesamt rund 12.000 verschiedenen Behörden auf kommunaler und Länderebene einen enormen Bürokratieaufwand. Aus der Strategie geht hervor, dass künftig digitale Antragsportale die Situation verbessern sollen.