Wissenschaftler sehen großen Nachholbedarf beim Umgang Deutschlands mit statistischen Daten. «Die aktuelle Pandemie hat die Grenzen der bestehenden Systeme deutlich aufgezeigt», sagte Ralf Münnich, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Universität Trier.
Zum Auftakt einer fünftägigen internationalen Statistik-Konferenz in Hamburg nannte er als Beispiel systematische Fehler bei Inzidenz, Zahl der Infizierten und ausgeführten Impfungen. «Dass dabei die Daten oft noch per Fax übermittelt wurden, sei ein Anachronismus, der für einen Staat wie Deutschland gerade in der Pandemiebekämpfung nicht angemessen ist.» Er fordert eine rasche Umsetzung der Digitalisierung sowie die Schaffung eines unabhängigen Dateninstituts unter Beteiligung der Wissenschaft. «Gerade in Krisen ist ein schneller Zugang zu Daten hoher Qualität für die Wissenschaft essenziell.»
Datenschutz wichtig gegen «Misstrauen»
Dafür müsse das Rad nicht neu erfunden werden, sagte Tim Friede, der das Institut für Medizinische Statistik der Universitätsmedizin Göttingen leitet. Viele Kompetenzen seien beim Statistischen Bundesamt bereits gegeben. Bei aktuellen Anforderungen wie Klimaschutz oder gesundheitspolitischen Fragen gehe es darum, die Relevanz der Daten zu gewährleisten, ebenso wie den Datenschutz und die Transparenz bei der Datenanalyse.
Eine hochwertige öffentliche Statistik trage zum Funktionieren einer Demokratie bei, sagte Walter Radermacher, ehemaliger Präsident des Statistischen Bundesamtes. «Solide Fakten können wesentlich zur Versachlichung und Verbesserung beitragen; unsolide oder schlecht kommunizierte bewirken das Gegenteil, nämlich Fehlentscheidungen, Misstrauen, parallele Wahrnehmungswelten.»
Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Statistik (DAGStat) vereint unter ihrem Dach 13 wissenschaftliche Fachgesellschaften und das Statistische Bundesamt. Friede, Münnich und Radermacher sind sich einer Mitteilung zufolge einig, dass das deutsche Statistikrecht modernisiert werden muss.