Google wagt einen Neustart. Die neuen Pixel 6 und 6 Pro sind ein echter Hingucker. Zum einen überraschen sanfte Pastellfarben. Zum anderen zieht ein enormer schwarzer Kameraaufbau – er erstreckt sich über die Gehäuserückseite – die Blicke magisch an. Und erneut ist die Kamera auch das Herzstück der neuen Pixel – zusammen mit einem neuen Prozessor.
Das mutige Design mit dem knapp drei Millimeter abstehenden Kamerasteg wird vermutlich nicht nur Freunde finden. Bei unserem Test störte der Steg aber auch nicht. Und es gibt dafür handfeste technische Gründe. Google verbaut in den beiden neuen Pixel-Modellen einen vergleichsweisen großen Bildsensor. Er soll nach Unternehmensangaben 150 Prozent mehr Licht aufnehmen als bisherige Modelle.
Starke Kamerahardware – und Software
Die Daten der Kamera beeindrucken: Ein 50-Megapixel-Weitwinkelobjektiv (Blende: ƒ/1,85) und ein 12-Megapixel-Ultraweitwinkelobjektiv (Blende: ƒ/2.2). Beim Pel 6 Pro kommt noch eine 48-Megapixel-Teleobjektivkamera mit vierfachem optischem Zoom dazu (Blende: ƒ/3,5). Im Vergleich zum Vorgänger ist das ein Riesensprung nach vorne. Durch den dicken schwarzen Balken wackelt das Pixel nicht mehr, wenn man es auf den Tisch legt.
Neben der Hardware mit Laser-Autofokus und umfangreicher Bildstabilisierung liegt bei den Pixel-Smartphones der Fokus aber auf innovativer Kamera-Software. Nach dem Knips ist es beim Pixel Zeit für umfangreiche Bildoptimierung. Das Ergebnis im Praxistest: Kontrastreiche Fotos mit natürlichen Farben. Als Vorreiter in Sachen Nachtfotografie auf dem Smartphone kommt auch die sechste Pixel-Generation mit wenig Licht sehr gut zurecht. Nachtaufnahmen zeigen viele Details, es gibt kaum Bildrauschen.
Spannende Spezialeffekte durch KI
Und dann sind da die Pixel-6-eigenen Sonderfunktionen: Mit Langzeitbelichtungen lassen sich spannende Lichteffekte einfangen. In einem speziellen Modus kann man einen Schwenkeffekt erzeugen, den sonst nur Profis beherrschen. Der Action-Modus konzentriert sich dabei auf das sich bewegende Motiv und fügt dem Hintergrund eine kreative Unschärfe hinzu.
Das Pixel kann aber auch künstlich scharfzeichnen, wenn sich beispielsweise eine Person gerade springt oder sich dreht. Wo Smartphone-Kameras sonst nur hoffnungslos verwischte und unscharfe Bilder produzieren, sorgt der Scharfzeichner des Pixel 6 für Erfolgserlebnisse. Der Modus funktioniert aber nur dann richtig, wenn es gelingt, das Gesicht ordentlich zu erfassen. Dann hat die KI-Software einen Anhaltspunkt, welche Bildbereiche nachgeschärft werden müssen und welche dynamisch verwischt bleiben können.
Her mit dem magischen Radierer
Diese neuen Kamera-Funktionen sind Beispiele für Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI). Sie stehen bei den neuen Pixel-Modellen so stark wie nie zuvor im Vordergrund. Dafür hat sich Google auch von Qualcomm als Lieferant des Hauptchips verabschiedet und verbaut nun einen selbst entworfenen Chip. Er heißt nun «Tensor Processing Unit» (TPU).
Mit so viel KI-Power unter der Haube gelingen auf den Pixel-Modellen Aktionen, die auf anderen Plattformen aufwendige Zusatzprogramme erfordern. Dazu gehört der «magische Radierer», mit dem man mit einem Fingertipp Objekte aus dem Bild entfernen kann. Hinweg also mit störenden Touristen im Hintergrund der perfekten Urlaubserinnerung.
Der «magische Radierer» ist eine Funktion der Kamera-App und schlägt nach einer schnellen Analyse die Bildbereiche vor, die «gesäubert» werden sollen. Man kann aber auch manuell Löschbereiche vorschlagen, wenn beispielsweise eine Hochspannungsleitung störend quer durchs Bild läuft. Das funktioniert nicht nur mit aktuellen Fotos, sondern mit alten Bildern aus dem Fotoarchiv.
Übersetzung in Echtzeit? Kein Problem!
Die KI-Fähigkeiten demonstriert das neue Pixel auch beim Umgang mit gesprochener und geschriebener Sprache. «Google Lens» erkennt Textstellen im Bild und bietet eine Übersetzung an. Das funktioniert offline mit 55 Sprachen, online mit 104 Sprachen. In Chatprogrammen kann das Pixel 6 live übersetzen. Ganz perfekt klappt das zwar nicht, aber gut genug, um eine Konversation in einer völlig fremden Sprache am Laufen zu halten.
Ein seit dem Pixel 4 verfügbares praktisches Feature gibt es nun auch auf Deutsch: Die Rekorder-App kann jetzt nämlich nicht nur Sprache als Audiodatei aufzeichnen, das Gerät verwandelt sie auch ohne Internetanbindung in Echtzeit in geschriebenen Text.
Wer schon mal ein längeres Interview oder eine aufgezeichnete Vorlesung abtippen musste, weiß so etwas zu schätzen. Die Qualität der Transkripte hängt allerdings stark von der Audioqualität der Aufnahmen ab. Daher lohnt es, sich vorab ein paar Gedanken über eine optimale Position des Mikrofons zu machen.
Dynamisches Display spart Strom
Zurück zur verbauten Hardware: Das Pixel 6 hat eine Bildschirm-Diagonale von 16,3 Zentimeter (6,4 Zoll), 6,7 Zoll (17 Zentimeter) sind es beim Pixel 6 Pro. In beiden Smartphones wurden OLED-Displays verbaut. Mit variabler Bildwiederholfrequenz passen sich die Displays an die jeweilige Nutzung an. Das langsame Scrollen im Social-Media-Feed erfordert eine geringere Taktung als ein anspruchsvolles Spiel. Die Taktraten liegen zwischen 10 und 90 Hertz beim Pixel 6 beziehungsweise 120 Hertz beim 6 Pro.
Um den schlechten Ruf der Pixel-Smartphones bei den Batterielaufzeiten abzulegen, macht Google aber mehr als clevere Displaysteuerung und Software-Maßnahmen zum Stromsparen. Es gibt auch größere Akkus mit einer Kapazität von 4600 mAh (Pixel 6) beziehungsweise 5000 mAh (Pixel 6 Pro). Damit sollte die Akkulaufzeitdebatte verstummen. Im Praxistest mit einem Video in Dauerschleife hielt das Pixel 6 Pro rund 15 Stunden lang durch, das Pixel 6 eine Stunde länger.
Im Gegensatz zu den aktuellen iPhone-Modellen kann man die neuen Pixel nicht mit einer Gesichtserkennung entsperren. In Corona-Zeiten ist das nicht unbedingt ein Nachteil. Dafür wurden optische Fingerabdrucksensor in das Display integriert. Das ist bequemer als der Sensor auf der Rückseite bei der Vorgängergeneration.
Fünf Jahre frische Software garantiert
Ab Werk gibt es mit Android 12 das neueste verfügbare Betriebssystem. Google garantiert Software-Updates für die kommenden fünf Jahre, darunter drei große neue Android-Versionen. Mit dem neuen Android gelangt auch die neue Oberfläche «Material You» auf die Smartphones. Dabei passt sich das Farbschema der Schriften und Schaltflächen dynamisch ans aktuelle Hintergrundbild an.
Android 12 liefert aber nicht nur eine hübsche und aufgeräumte Optik. Das Betriebssystem soll auch einen besseren Schutz der Privatsphäre liefern. Dabei kommt dem bei Google in München entwickelten Privacy-Dashboard eine zentrale Bedeutung zu. Hier können Nutzerinnen und Nutzer überprüfen und einstellen, welche Berechtigungen Apps tatsächlich haben.
Fazit: Großer Wurf
Mit der Abkehr von Qualcomm und der Integration des eigenen Tensor-Chips gelingt Google beim Pixel 6 und 6 Pro ein großer Wurf. Zum Teil spektakuläre KI-Funktionen, eine sehr gute Kamera und eine verbesserte Akku-Laufzeit sorgen dafür, dass Google mit dem Pixel 6 und dem Pixel 6 Pro wieder in der Champions League der Smartphones mitspielen kann. Auch die Sicherheitsupdate-Garantie von fünf Jahren ist vorbildlich. Sie sollte in der Branche Standard werden.
Wer nicht häufig auf ein Teleobjektiv angewiesen ist, sollte sich für das Pixel 6 entscheiden. Mit knapp 650 Euro für 8 GByte Arbeitsspeicher und 128 GByte Flash-Speicher ist es deutlich günstiger als das Pro-Modell. Das Pixel 6 Pro mit 12 GByte RAM und 128 GByte Flash-Speicher kostet knapp 900 Euro.
Für die üppiger ausgestattete Variante mit 256 GByte Speicher verlangt Google knapp 1000 Euro. Das Pixel 6 Pro kann aktuell noch nicht vorbestellt werden, Interessenten können sich aber auf eine Warteliste eintragen lassen.