Wer an Spiele aus Deutschland denkt, landet meist bei den großen Namen: Die «Anno»-Reihe von Blue Byte und Ubisoft, Adventures von Daedalic, der Shooter «Crysis» von Crytek. Schön und gut, aber: Da gibt es noch mehr.
Zwar gehören die aufgezählten Namen zu den bekanntesten Spielen des Landes. Doch die Entwicklerszene Deutschlands ist viel größer als diese drei Reihen: Insbesondere Indie-Entwickler – also kleine Studios oder Einzelentwickler, ob als Autodidakten oder an Unis ausgebildet, erschaffen bemerkenswerte und einmalige Spiele. Häufig fliegen sie trotzdem immer wieder im Schatten der ganz großen Titel.
Diese folgenden sieben Spiele sollen zeigen, welches kreative Potenzial in der Spielebranche dieses Landes schlummert. Und auch, wie sehr es sich lohnen kann, einmal abseits der ganz großen Namen nach neuen Spielerlebnissen zu suchen.
Weltuntergang mit einer Extraportion Fleisch
«Death Trash» ist aus vielen Gründen ein ganz besonderes Spiel. Es beginnt bereits bei der Entwicklungsgeschichte: Der Berliner Stephan Hövelbrinks zimmerte das Rollenspiel sieben Jahre lang ganz alleine zusammen. Im Sommer 2021 veröffentlichter er «Death Trash» schließlich als Early-Access-Version.
Schon wenige Wochen nach Release hat das Spiel alle Produktionskosten eingespielt. «Death Trash» ist ein Hit – und das zurecht: In einer originellen postapokalyptischen Welt dürfen Spieler mit großer Freiheit Geheimnisse lüften, spannende Kämpfe ausfechten und, wie es Genre-Fans verlangen, reichlich Schätze und neue Ausrüstung einsammeln. Präsentiert wird dieses Abenteuer in einer detailreichen Pixelgrafik, in der besonders häufig Fleischberge zu sehen sind. Warum? Das ist eines der großen Geheimnisse von «Death Trash».
Spielenswert weil: Besonderer Look, besondere Spielwelt, besondere Entwicklungsgeschichte: «Death Trash» ist ein innovatives und forderndes Rollenspiel, dem es gelingt, das etwas ausgelutschte Genre der Postapokalypse-Abenteuer wieder neu und aufregend zu machen.
Bitte einmal zurück in die 80er
Nicht aus einem, sondern aus zwei Händepaaren stammt «Aeon of Sands». Leider hat es das Spiel nie so sehr ins Rampenlicht geschafft, wie es ihm eigentlich zustehen würde. Denn der Deutsche Florian Fischer und der Italiener Marco Pedrana ersannen gemeinsam einen klassischen Dungeon-Crawler. Das Spiel fängt gleichermaßen die Faszination der geistigen Vorbilder aus den 1980er Jahren ein, bietet aber auch moderne Komfortfunktionen.
Als Anführer einer Heldengruppe schlagen sich Spieler in angenehm altmodischer Grafik durch fast endlose Untergrundhöhlen, durchqueren die Wüste und treffen auf die seltsamsten Kreaturen und Wesen. Viele von ihnen sind zu einem Gespräch bereit: Einige wollen sich der Gruppe anschließen, andere sie in eine Falle locken. Die Welt von «Aeon of Sands» ist erbarmungslos, aber faszinierend.
Spielenswert weil: Noch einmal Abenteuer erleben wie in den Fantasy-Welten der 1980er – das macht «Aeon of Sands» möglich wie kaum ein anderes Spiel der letzten Jahre. Hier stimmt der Mix aus klassischen Genre-Elementen und modernen Einflüssen.
Klimaschutz im Weltraum
Weg von der Vergangenheit und hinein in die Zukunft führt «Imagine Earth», ein Spiel des zweiköpfigen Teams von «Serious Brothers». Hier bereisen Spielerinnen und Spieler in der nahen Zukunft den Weltraum. Das Ziel: unerforschte Planeten besiedeln. So weit, so bekannt, doch es gibt zwei innovative Kniffe.
Erstens: Militärische Konflikte gibt es keine. Gegenspieler werden stattdessen am Aktienmarkt ausgestochen, in den finanziellen Ruin getrieben und so nach und nach einverleibt. Zweitens: Das Klima spielt eine zentrale Rolle. Wer die Planeten rücksichtslos ausbeutet, vernichtet nicht nur Ressourcen, sondern bringt auch das planetare Wetter ins Wanken – bis es schließlich zu verheerenden Klimakatastrophen kommt. Hier steckt zwischen den Zeilen eine Lektion, die aktueller nicht sein könnte.
Spielenswert weil: Klimaschutz ist das Thema unserer Zeit, aber nur wenige Spiele greifen das Thema bisher auf. «Imagine Earth» ist eine dieser Ausnahmen – aber macht auch fernab der Klima-Thematik als Aufbaustrategiespiel einfach Spaß.
Neuanfang aus Plastik
«Imagine Earth» dreht sich um den Erhalt von Planeten, das Aufbaustrategiespiel «Endzone: A World Apart» ist da schon weiter. Es zeigt, was passiert, wenn die Klimakatastrophe wirklich kommt: Die Apokalypse, na klar. Und so müssen Spielerinnen und Spieler hier in einer Welt nach der großen Klimakrise gegen sauren Regen und verstrahlten Metallmüll kämpfen und die Zivilisation wieder aufbauen. Und ihr treuester Baustoff ist ausgerechnet Plastik.
Plastik wird in Spielen dieser Art nur selten als Ressource abgebildet, in «Endzone: A World Apart» nimmt sie hingegen direkt eine zentrale Rolle ein. Ziemlich passend, denn dieses Material wird wohl uns alle überleben.
Spielenswert weil: «Endzone: A World Apart» fühlt sich trotz bekanntem Schauplatz frisch und neu an. Der vergleichsweise hohe Schwierigkeitsgrad ist eher für erfahrene Spieler des Genres geeignet. Die können sich nicht nur über Herausforderungen, sondern auch über viele nette Innovationen freuen.
Unter Wasser gegen Monster
Fordernd geht es auch in «Outbuddies» zu, allerdings geht es hier mehr um Fingergeschick als planerisches Geschick: Man wird zum Unterwasserforscher, der sich in einer feindlich gesinnten Welt gegen Seemonster und andere Kreaturen behaupten muss.
Entwickelt wurde das Spiel im Alleingang von Julian Laufer, der mit «Outbuddies» den Lieblingsspielen seiner Kindheit ein Denkmal setzen wollte. Das hat geklappt: Sein Spiel erinnert stark an Klassiker der 1990er wie «Metroid» und «Castlevania», besitzt aber trotzdem auch eine eigene Identität.
Spielenswert weil: Fordernd, aber fair, abwechslungsreich, aber trotzdem sinnvoll zusammenhängend – das ist «Outbuddies» in wenigen Worten zusammengefasst. Wer zumindest ein wenig Lernbereitschaft und Geschicklichkeit am Controller mitbringt, wird hier viel Spaß haben.
Das Spiel der Zivilisationen
Abschließend ein kleines Kuriosum, denn die Spielidee von «The Fermi Paradox» ist ebenso ungewöhnlich wie spannend: Als mysteriöse Gottheit greifen Spieler in die Geschicke unzähliger Weltraumzivilisationen ein. Man provoziert sie zu Kriegen, wissenschaftlichen Durchbrüchen oder religiösen Konflikten.
Wie bei einem riesigen Experimentierkasten verändert man so lange die Parameter der Weltraumkulturen, bis die Folgen dieser Eingriffe sich verselbstständigen: Zivilisationen erklären sich Kriege, schließen sich zu neuen Völkern zusammen – oder kämpfen einfach nur um ihr eigenes Überleben. Es liegt alles in der Hand der Spieler.
Spielenswert weil: «The Fermi Paradox» lädt zum Experimentieren ein, überlässt Spieler aber nicht komplett sich selbst. Eine Rahmengeschichte leitet durch die unüberschaubare Zahl von Entscheidungsmöglichkeiten und macht aus diesem Weltraumbaukasten ein wirklich spannendes wie ungewöhnliches Abenteuer.