Ein Tablet für Profis: Das 12,9-Zoll-Modell startet bei 1199 Euro, das kleinere 11-Zoll-Gerät ist ab 879 Euro zu haben. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Zacharie Scheurer/dpa-tmn)

Das neue iPad Pro spielt nun in der gleichen Liga wie die neusten Mac-Modelle, zumindest was den Hauptprozessor angeht. Das Tablet ist nämlich von Apple mit dem mächtigen M1-Chip ausgestattet worden.

Er steckt auch in den neusten Ausgaben des Mac Mini, Macbook Air, Macbook Pro und im neuen 24-Zoll-iMac. Allerdings schreckt Apple davor zurück, die Profi-Version des iPad auch mit dem Macintosh-Betriebssystem macOS auszuliefern, was nun technisch möglich wäre. Apple-Chef Tim Cook und sein Team haben sich für diese Grundsatzentscheidung vom US-Technikportal «The Verge» bereits als Feiglinge beschimpfen lassen müssen.

Im Praxistest hat sich aber nicht gezeigt, dass macOS die bessere Wahl für das neue iPad gewesen wäre. Das an die Bedienung des iPhones angelehnte iPadOS ist nach unserer Erfahrung die bessere Tablet-Oberfläche. Die Hightech-Flunder wird im Zweifelsfall besser mit dem Finger oder Eingabestift bedient und nicht mit einer Maus oder einem Trackpad.

Flotte Datenübertragung mit Thunderbolt

An einer Stelle, nämlich der Schnittstelle nach außen, verschwimmen aber die Grenzen zwischen Laptop und Tablet. Und das ist auch gut so. Beim Vorgängermodell erwies sich der USB-C-Port etwa im Vergleich zum MacBook Pro bei der Übertragung größerer Datenmengen als Nadelöhr. Beim neuen iPad Pro können Fotografen oder Videoproduzenten über die Thunderbolt-Schnittstelle mit USB-C-Buchse auch größte Datenmengen in Sekunden aufs Tablet schaufeln.

Werden die Fotos oder Videos dann auf dem iPad Pro angezeigt, sieht das eindeutig besser aus als auf einem Macbook Air oder einem gewöhnlichen Windows-Laptop. Insbesondere auf dem größeren 12,9-Zoll-Modell. Das helle Display arbeitet mit 120 Hertz Bildwiederholfrequenz. Es unterstützt hohen Farb- und Kontrastumfang HDR und überzeugt dabei mit einem hervorragendem Schwarzwert.

Das erzielt Apple mit einer Hintergrundbeleuchtung aus über 10.000 Mini-LED, die einzeln geschaltet werden können. Der Liquid-Retina- XDR-Bildschirm erreicht eine Helligkeit von bis zu 1000 Nits und bis zu 1600 Nits in Spitze für HDR-Inhalte. Auch das sind Spitzenwerte.

Keine Mini-LED im kleineren iPad Pro

Das kleinere 11-Zoll-Modell kommt an diese Superlative nicht heran: Das Liquid-Retina-Display ohne die Zauberbuchstaben XDR – und damit ohne Mini-LED – überzeugt aber mit großem P3-Farbraum sowie dem True-Tone-Feature, erreicht beim Kontrast aber nicht die Werte des großen Bruders. Die maximale Helligkeit beträgt 600 Nits.

Mit einer Software wie Lightroom von Adobe kann der M1-Chip seine Power voll ausspielen. Hier kann man Fotos im RAW-Format blitzschnell bearbeiten. Auch beim Videoschnitt mit Lumafusion gibt es quasi keine Limits mehr. Allerdings fehlt die bei vielen Youtubern und Filmprofis populäre Videobearbeitungssoftware Final Cut Pro. Apple bietet sie bislang nur für die Macintosh-Rechner an. Es halten sich aber hartnäckig Gerüchte, dass zur Apple-Entwicklerkonferenz WWDC am 7. Juni eine iPad-Version von Final Cut Pro angekündigt wird.

Bessere Kamera mit Verfolgungsmodus

Das neue iPad Pro ist aber nicht nur für Kreative gedacht, sondern macht auch im Büro eine gute Figur. Wie bei den neuen iMacs reagiert Apple auf Kritik an den bislang verbauten Selfie-Kameras. Sie sind gerade in der Pandemie für Videokonferenzen, Lernplattformen oder andere Lösungen unentbehrlich geworden. Die Auflösung wurde auf zwölf Megapixel erhöht, was sich positiv bemerkbar macht. Die Ultraweitwinkel-Kamera auf der Vorderseite liefert auch bei schlechten Lichtverhältnissen bessere Aufnahmen als die bisherigen Kameras.

Mit der Rechenkraft des M1-Chips kann die Kamera bei Videocalls automatisch den Menschen im Blickwinkel folgen und den Ausschnitt anpassen. Diese Funktion namens «Center Stage» kommt einem zunächst ein bisschen unheimlich vor. Die Kamera folgt wie von Geisterhand gesteuert den Sprecher beim Videoanruf, wenn er sich im Raum bewegt oder mit seinem Schreibtischstuhl hin und her fährt. Doch gerade bei längeren Videokonferenzen sorgt die virtuelle Kamerabewegung für Abwechslung.

Wenn das iPad zum Tennistrainer wird

Auch die Zwölf-Megapixel-Kamera auf der Rückseite macht eine gute Figur. Mit ihr kann man nicht nur filmen und fotografieren, sondern das iPad zum Beispiel in einen virtuellen Tennis-Lehrer verwandeln. Die App Swingvision bietet eine Videoanalyse in Echtzeit, um Schlagweise, Spin-Typ und Ballgeschwindigkeit zu bewerten. Und die App erkennt auch, ob ein Ball im Aus gelandet ist oder nicht.

Aber zurück ins Büro: Wer ernsthaft mit dem iPad Pro arbeiten will, braucht eine richtige Tastatur. Von Apple gibt es das Magic Keyboard in Schwarz und Weiß für 339 Euro für das 11-Zoll-Gerät und 399 Euro für das 12,9-Zoll-Gerät. Wer schon ein Magic Keyboard für die Vorgängerversion besitzt, muss sich die teure Tastatur nicht erneut anschaffen. Das neue 11-Zoll-iPad hat ohnehin die gleiche Form und Größe wie das alte. Das 12,9-Zoll-iPad ist allerdings 0,5 mm dicker. Trotzdem passt die alte Hülle gerade noch.

5G und Lidar mit an Bord

Für den Einsatz im mobilen Office ist ebenfalls wichtig, dass das iPad Pro nun auch mit 5G-Mobilfunk bestellt werden kann. Davon profitieren Anwenderinnen und Anwender auch dann, wenn kein 5G-Netz zur Verfügung steht, denn das Gerät unterstützt bis zu 32 LTE-Bänder, mit denen auch hohe Geschwindigkeiten erzielt werden können. Das 5G-Mobilfunkmodem kostet 170 Euro Aufschlag. Beim WLAN unterstützt das iPad Pro den Standard Wi-Fi 6 mit Spitzengeschwindigkeiten bis zu 1,2 Gigabit pro Sekunde.

Die neuen iPads sind auch wieder mit einem Lidar-Scanner auf der Rückseite ausgestattet, obwohl es bislang nur vergleichsweise wenig Apps gibt, die davon Gebrauch machen. Lidar (Light Detection and Ranging) ist eine dem Radar verwandte Methode zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung. Man kennt sie von autonom fahrenden Autos, der Raumfahrt oder Roboter-Staubsaugern. Die iPad-Pro-Modelle können damit die Umgebung erfassen.

Wer die Lidar-Technik ausprobieren möchte, kann dies beispielsweise mit der Kurzvideo-App Clips von Apple machen. Seit dem Update auf Version 3.1 enthält Clips einige neue Effekte, die den Lidar-Scanner nutzen, um Animationen dreidimensional im Raum darstellen zu können. Oder um ein vergleichsweise langweiliges Wohnzimmer in eine coole Bühne für das nächste Tanzvideo zu verwandeln.

Fazit: Noch kein Laptop, aber schon ein Profi-Arbeitsgerät

Insbesondere das größere Modell der beiden neuen iPad Pro wird große Begehrlichkeiten bei Kreativen wecken. Laptop-Anwender, die gerne zwischen vielen geöffneten Apps hin und her springen, werden dagegen mit dem iPad nicht unbedingt glücklich. Zwar bietet auch das iPad inzwischen ein Multitasking, doch der Wechsel zwischen den Apps fällt nicht so flüssig aus wie auf dem Laptop.

Allerdings verfügt das iPad Pro nun mit der überragenden Displayqualität, den schnellen Übertragungsraten und der Ausbaufähigkeit bis zu zwei Terabyte Speicherplatz über echte Pro-Features, die auch manchen iPad-Skeptiker überzeugen werden. Wer diese Super-Pro-Funktionen nicht unbedingt benötigt, ist auch mit dem kleineren Modell gut bedient.

Bei der Auswahl spielt natürlich auch der Preis eine wichtige Rolle, denn billig sind die neuen iPad nicht gerade: Das kleinere 11-Zoll-Modell des iPad Pro ist ab 879 Euro (128 GB) zu haben. Eine Vollausstattung mit zwei Terabyte Speicher kostet 2089 Euro. Beim größeren 12,9-Zoll-Modell mit dem besseren Bildschirm liegt die Preisspanne bei 1199 Euro bis 2409 Euro. Der 5G-Zuschlag von 170 Euro ist bei beiden Modellen identisch.

Von Christoph Dernbach, dpa