Erste Woche im Besitz von Elon Musk erschüttert Twitter
Das Twitter-Logo hängt außen an den Büros in der 249 17th Street in Chelsea, New York. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Nancy Kaszerman/ZUMA Press Wire/dpa)

Während Twitters Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um ihre Jobs bangen, versprüht Elon Musk Optimismus. «Ich glaube, dass es eines der wertvollsten Unternehmen der Welt sein könnte», sagt der Tech-Milliardär bei einem Überraschungsauftritt auf einer Investmentkonferenz in New York am Freitag. Bei den Beschäftigten gehen derweil E-Mails ein, aus denen sie erfahren, ob sie noch bei Twitter arbeiten. Medienberichte, wonach rund jeder zweite Job wegfällt, scheinen sich zu bestätigen.

Die erste Zwischenbilanz gut eine Woche nach Abschluss von Musks 44 Milliarden Dollar teurem Twitter-Kauf fällt ernüchternd aus. Der Umsatz bricht ein, weil Werbekunden wie Volkswagen und Pfizer ihre Anzeigen stoppen oder auf Eis legen wollen. Dabei macht die Firma Musk zufolge mehr als vier Millionen Dollar Verlust täglich – wodurch auch die Job-Streichungen unausweichlich gewesen seien.

Twitter gehört nun einem seiner lautesten, bekanntesten und kontroversesten Nutzer. Musks Twitter-Account ist die Quelle für offizielle Informationen darüber, wie das läuft. Er selbst reagiert auf der Plattform weiter bevorzugt auf Tweets von Nutzern mit ähnlichen Meinungen wie seiner. Sie haben meist rechte Ansichten.

Große Kunden gehen auf Distanz

Werbekunden wie VW gehen aus Sorge, dass das Online-Netzwerk unter Musk zu einem noch größeren Tummelplatz von Hassbotschaften, Hetze und Desinformationen werden könnte, auf Distanz. Musk selbst beklagte am Freitag einen «massiven Rückgang der Erlöse» und beschuldigte «Aktivistengruppen», Anzeigenpartner unter Druck zu setzen. Das Werbegeschäft ist Twitters mit Abstand wichtigste Einnahmequelle, über 90 Prozent des konzernweiten Umsatzes gehen darauf zurück.

Musks Lösung: Er droht den Werbekunden, die ihre Anzeigenbudgets aussetzen, ein «thermonukleares Benennen und Schämen» an. Der Tweet folgt auf den Vorschlag eines rechten Internet-Lobbyisten, doch bitte die Namen zu nennen, damit man zu einem «Gegenboykott» aufrufen könne. Zum Phänomen Musk bei Twitter gehört eine laute Schar treuer Fans, die nahezu jeden angreifen, der ihn kritisiert oder anzweifelt.

Solche Drohungen dürften bei diesen Fans viel besser ankommen als bei den Werbekunden. Ebenso wie die Tatsache, dass der frischgebackene Twitter-Besitzer mit seinen mehr als 110 Millionen Followern umgehend eine schmuddelige Verschwörungstheorie teilte.

Große Entlassungswelle

Im Unternehmen selbst sorgt unterdessen ein Stellenabbau für tiefe Verunsicherung. Am Freitag wurden Mitarbeiter per E-Mail entlassen, zur Zahl gab es keine offiziellen Angaben. Musk wolle die Beschäftigtenzahl von rund 7500 um etwa die Hälfte reduzieren, hieß es zuvor in Medienberichten. Der Manager Yoel Roth, der unter anderem für das Entfernen von Hassrede zuständig ist, schien die Größenordnung zu bestätigen. In seinem Bereich seien nur 15 Prozent der Jobs gestrichen worden, statt rund 50 Prozent firmenweit, schrieb er bei Twitter in der Nacht zum Samstag.

Fest steht, dass der Aderlass die Firma erschüttert. Auch weil die Entlassungen anonym und chaotisch ablaufen. «Sieht aus, als ob ich nicht mehr angestellt bin. Ich wurde gerade aus der Ferne von meinem Arbeitslaptop ausgeloggt», twitterte ein Mitarbeiter am Donnerstag. «Es ist so traurig, dass es so endet».

Musk «alleiniger Direktor»

Seit Musk Twitter am Freitag vor einer Woche von der Börse nahm und in seinen Privatbesitz überführte, scheint es dort keine für größere Unternehmen übliche Führungsstruktur mehr zu geben. Er feuerte direkt nach seiner Übernahme das Top-Management, löste den Verwaltungsrat auf und ernannte sich selbst zum «alleinigen Direktor». Die gesamte Macht bei Twitter liegt nun bei Musk. Und er will die Kosten kräftig senken – angesichts roter Zahlen und immenser Schulden, die dem Unternehmen bei der Übernahme aufgebürdet wurden, ist der Druck hoch.

Zwischenzeitlich sah es aus, als versuchte Musk, Twitter via Twitter zu führen. Während laut Medienberichten seine Vertrauten wie der Tech-Unternehmer Jason Calacanis in die Unternehmensmaschinerie eingriffen, warf er bei Twitter mit Gedankenspielen um sich, wie etwa dass Nutzer unterschiedliche Versionen des Dienstes «wie bei Alterseinstufungen im Kino» bekommen könnten.

Konkret wurde es am Ende mit der Idee, das bisher kostenlose Verifikations-Häkchen nur noch Kunden des kostenpflichtigen Abo-Angebots Twitter Blue zu geben. Für acht statt bisher fünf Dollar im Monat. Die Aufruhr unter den Nutzern war groß – allein etwa für große Zeitungen mit Hunderten Journalisten würden hohe Gebühren fällig. Und dann berichtete auch noch die «New York Times», laut internen Dokumenten sehe es nicht danach aus, dass man sich dafür tatsächlich ausweisen müsste. Heute kann man sicher sein, dass hinter einem verifizierten Account tatsächlich die Person steht. Ob das später noch der Fall sein wird, wirkt nun unklar.

Von Hannes Breustedt und Andrej Sokolow, dpa