Die Datei-Ordner auf dem Computer-Desktop vergleicht Birgit Pfirrmann gern mit Koffern, in die mehrere Reisetaschen passen. Beim Umgang mit dem Smartphone zeigt die 64-Jährige zuallererst auf den Home-Button: «Egal, wohin man sich verflogen hat, damit kann man immer wieder von vorne anfangen.» Die Pensionärin aus der Pfalz ist eine von 338 Digital-Botschaftern – kurz DigiBos – in Rheinland-Pfalz.
Ziel der Ehrenamtlichen ist es, vor allem ältere Menschen im Umgang Tablets, Notebooks, Computern und Smartphones zu unterstützen – ihre digitalen Kompetenzen zu fördern. Das 2018 begonnene Projekt werde weiter ausgebaut und stoße auch in anderen Bundesländern auf Interesse, sagt Digitalisierungs- und Sozialminister Alexander Schweitzer.
«Die DigiBos sind ältere Menschen, die mit viel Leidenschaft, Spaß und Konzentration im Netz unterwegs sind», berichtet der SPD-Politiker. «Die Zielmarke von 300 DigiBos bis 2023 ist schon übertroffen.» In jedem der 24 Kreise und 12 kreisfreien Städte gebe es die ehrenamtlichen Spezialisten bereits. «Mit weiteren Qualifizierungen wollen wir noch mehr Digital-Botschafterinnen und Digital-Botschafter gewinnen.» Schweitzer verspricht: «Wir setzten das Programm über 2023 hinaus fort – bis zum Ende der Wahlperiode.»
Der Bedarf an Digital-Botschaftern ist riesig
Pfirrmann jubelt über diese Ankündigung. Denn: «Der Bedarf ist riesig», weiß die Autodidaktin, die seit der ersten Stunde dabei ist und inzwischen schon bei mehr als 2000 Besuchen im Landauer DigiBo-Treff Menschen Fragen zur digitalen Welt beantwortet oder den Zugang gezeigt hat. Zwar war der älteste Besucher 93 Jahre alt, viele sind aber deutlich jünger, manche gerade mal halb so alt.
Viele Menschen mit Anfang 50 wüssten im Umgang mit Notebooks, Tablets, Smartphones und Computern nicht weiter und hätten keinen, dem sie ihre Fragen stellen könnten, berichtet die Digital-Botschafterin. «Ich bin manchmal erstaunt, dass auch 40- oder 45-Jährige außer WhatsApp und Telefonieren kaum etwas mit ihrem Handy anfangen können und nicht daran denken, dass ihr Gesprächspartner bei einem WhatsApp-Telefonat online sein muss.»
Die DigiBos sind im Durchschnitt 69 Jahre alt; 41 Prozent von ihnen sind Frauen, heißt es im Digitalisierungsministerium in Mainz. Ihre landesweit bislang mehr als 3000 Angebote – PC-, Smartphone- und Tablet-Treffs sowie Hausbesuche – werde auch überwiegend von Frauen genutzt. Zwei Drittel der Teilnehmer sind älter als 70 Jahre. 97 Prozent haben wenig bis gar keine Erfahrung mit digitalen Medien.
«Wir werden immer Menschen haben, die abgehängt sind», stellt Pfirrmann fest. Die technische Entwicklung sei einfach zu rasant. Deshalb suchen die fünf DigiBos in Landau auch sogenannte Digital Natives zur Verstärkung ihres Teams – also Angehörige der Generationen, die mit Tablet und Smartphone groß geworden sind. «Wir halten uns zwar alle auf dem Laufenden, aber die junge Generation ist anders groß geworden.» Oft verstünden Ältere auch einfach die Sprache der digitalen Welt nicht. «Wir verstehen uns auch als Übersetzer.»
«85-Jährige haben die Digitalisierung im eigenen Berufsleben oft nicht mehr erlebt und haben schwerer Zugang als die Digital Natives, die 25 Jahre und jünger sind», stellt Minister Schweitzer fest. «Je höher das Alter, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass digitale Teilhabe nicht ausgebaut ist.» Das zeigten Studien. «Es gibt aber auch 85-Jährige, die digital unterwegs sind und 25-Jährige, die sich schwer tun.»
Ganze Bevölkerungsgruppen vom Zugang ausgeschlossen
Alter und Beruf sind aber längst nicht die einzigen Gründe dafür, dass Menschen von der digitalen Welt mit ihren zahlreichen Möglichkeiten ausgeschlossen sind – oder sich ausgeschlossen fühlen. «Es gibt ganze Bevölkerungsgruppen, die den Zugang zur Digitalisierung nicht haben», stellt Schweitzer fest. «Eine Grenze ist ein Haushaltseinkommen von weniger als 1500 Euro pro Monat.» Dazu kämen Ängste und Hemmungen. «Digitalisierung geht alle an, kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn viele Menschen die Vorteile erkennen», betont Schweitzer. «Die Teilhabe an Ressourcen ist der Wesenskern von Demokratie.»
«Es existieren unglaubliche Ängste», berichtet auch Pfirrmann. «Nicht nur bei älteren Menschen.» Diese würden oft von den eigenen Kindern noch verstärkt. «Das darfst Du nicht!» oder «Das verstehst Du sowieso nicht!», nennt Pfirrmann als typische Beispiele. «Die kommen dann mit Seniorenhandys zu uns, bei denen sämtliche Funktionen abgestellt sind.» Viele Kinder und Enkel nähmen das Handy der Eltern und Großeltern auch einfach schnell an sich, wenn etwas unklar sei und führten die gewünschte Aktion aus, ohne Erklärung. «Dabei lernt man nichts dazu», sagt Pfirrmann, die selbst in ihren Treffs eine «riesige Dankbarkeit» der Teilnehmer erlebt.