Wer heute im Festnetz in eine andere Stadt telefoniert, der muss keine Angst mehr vor jeder angebrochenen Minute haben. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Britta Pedersen/zb/dpa)

Es war ein Preisschock für den Platzhirschen: 60 Pfennig berechnete die Telekom pro Minute für ein nationales Ferngespräch Anfang 1998 – bei Neueinsteiger Mobilcom waren es nur 19 Pfennig.

Das Monopol der Telekom war gerade gefallen, die Nachfolgefirma der Bundespost musste sich dem Wettbewerb stellen. Immer mehr Call-by-Call-Wettbewerber sprossen aus dem Boden, immer mehr Bundesbürger wählten die Billig-Vorwahlen. Die Preise fielen weiter, heute sind Monatspauschalen ohne Minutenentgelte gang und gäbe. Der Auftakt für die Marktliberalisierung war vor 25 Jahren, am 25. Juli 1996. Damals wurde das Telekommunikationsgesetz im Bundesanzeiger veröffentlicht – das Ende des Telekom-Monopols war besiegelt.

Liberalisierung der Telekommunikation

Nach einer eineinhalbjährigen Übergangsphase traten die wichtigsten Regelungen im Januar 1998 in Kraft. Im Rückblick wertet der Chef der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, das Gesetz mit dem Kürzel TKG positiv. «Die Liberalisierung der Telekommunikation in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte», sagt er. «Die Verbraucher profitieren vom intensiven Wettbewerb zahlreicher Anbieter und von über die Jahre kräftig gesunkenen Preisen.»

Daumen rauf signalisiert auch Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen. «Um möglichst viele Wettbewerber in den Markt zu lassen, wurden die Eintrittsschwellen für das Festnetz niedrig gehalten – das hat der Gesetzgeber gut gemacht», sagt der Telekommunikationsprofessor. Bei der schwierigen Aufgabe, ein Monopol aufzubrechen und einen funktionierenden Wettbewerb einzuführen, seien im Festnetzbereich keine großen Fehler gemacht worden. «Der deutsche Telekommunikationsmarkt hat sich danach sehr gut entwickelt und die Preise fielen deutlich.»

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Telekommunikationsgesetzes, das bis heute mehrfach novelliert wurde, ist eine Regelung zum Festnetz: Das Gesetz verpflichtete die Telekom, ihre Wettbewerber nicht nur beim Call-by-Call auf ihre Leitungen zu lassen, sondern ihnen auch dauerhaften Zugang zu ihren Netzen zu ermöglichen. Die Konkurrenten konnten Verträge mit Kunden abschließen und hierbei die Leitungen der Telekom nutzen – die bekam dafür Miete. Damit sollte Wettbewerbern der Einstieg in den Markt ermöglicht werden, auch wenn sie noch keine oder kaum eigene Leitungen hatten.

Monopol statt Drang zu neuen Technologien

Ob dieser Weg richtig war, ist umstritten. Jürgen Grützner vom Branchenverband VATM, in dem sich Telekom-Konkurrenten organisiert haben, hält ihn für falsch. Die Telekom habe ihre alten abgeschriebenen Kupferleitungen durch die Mietzahlungen «praktisch vergoldet bekommen und dadurch lange keinen Anreiz gehabt, in neue Technologien zu investieren». Der Ex-Monopolist wurde nach Einschätzung von Grützner gestärkt, während Wettbewerber einen schweren Stand hatten und Investitionen in neue Technologien – vor allem Glasfaser – zunächst scheuten.

Im Internet dominierten auf der letzten Meile – also vom Kabelverzweiger bis in die Häuser – Telefon-Kupferleitungen der Telekom mit der DSL/VDSL-Technologie, die im Laufe der Jahre schrittweise optimiert wurde – an den Glasfaser-Speed aber nicht heran kam. «1996 wurden die Weichen so gestellt, dass die Telekom noch jahrzehntelang von ihren Telefonleitungen profitieren konnte», so Grützner. «Damit wurde Deutschland als Glasfaserland ausgebremst.»

Nun endlich nehme der Glasfaser-Ausbau auf der letzten Meile auch bei der Telekom Fahrt auf, nachdem jahrelang fast ausschließlich die Wettbewerber den Glasfaser-Ausbau bis zum Gebäude oder bis in die Wohnung gestemmt hätten, sagt der Verbandsvertreter, der in den 90er Jahren als Referent bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an dem Gesetzgebungsverfahren beteiligt war. Er schränkt zwar ein, dass die Bedeutung des Internet samt Glasfaser noch nicht absehbar gewesen sei. Er bemängelt aber, dass der Gesetzgeber seinen Kurs in den nachfolgenden TKG-Novellen nicht geändert habe.

Telekom resümiert positiv über die letzten Jahrzehnte

Und was sagt die Telekom im Rückblick? Der Konzern sieht die Entwicklung positiv und betont die Milliardensummen, die man Jahr für Jahr investiere. «Die Liberalisierung hat dafür gesorgt, einen lebendigen Wettbewerb in Deutschland entstehen zu lassen», sagt ein Firmensprecher. «Die Kundinnen und Kunden können in Deutschland zwischen vielen Anbietern und Tarifen wählen.» Es seien viele Innovationen entstanden, «von modernen Endgeräten über das Internet für alle bis zu dem smarten Zuhause und dem Fernsehen über das Internet Protokoll (IP-TV)». Gleichzeitig seien die Preise für Telekommunikation gesunken.

Jens-Uwe Theumer vom Preisvergleichsportal Verivox sagt indes, die Verbraucher müssten nach wie vor verhältnismäßig tief in die Tasche greifen für ihren Internetanschluss oder ihren Handyvertrag. «In Staaten wie Österreich, Schweden oder der Schweiz ist das Preis-Leistungs-Verhältnis oft besser.» Im internationalen Vergleich gebe es hierzulande zu wenig Wettbewerb, sagt er und verweist etwa auf die hohe Marktabdeckung von Vodafone und von der Telekom im Festnetz-Internet.

Für die Belegschaft der Telekom war die Liberalisierung eher kein Anlass zum Feiern – davon zumindest ist der damalige Betriebsrat Josef Bednarski überzeugt und verweist auf den der Liberalisierung folgenden Stellenabbau. Der sei zwar sozialverträglich – ohne betriebsbedingte Kündigungen – durch Betriebsräte und Gewerkschaft begleitet worden, aber dennoch einschneidend gewesen. 1995 hatte die Deutsche Telekom nach Firmenangaben etwa 230.000 Vollzeitstellen, heute sind es etwa 90.000 im Inland. «Dass die Preise sanken, war gut für die Verbraucher – auf die Belegschaft kamen jedoch harte Veränderungen zu, mit einer hohen Anzahl von Umorganisationen und einer höheren Arbeitsbelastung», sagt Bednarski

Von Wolf von Dewitz, dpa