Onlinebanking war vielen ältere Menschen in Deutschland bislang zu kompliziert oder zu risikoreich. Doch in der Corona-Krise haben etliche Senioren die Angst vor Cyberkriminellen oder die Sorge um den Datenschutz überwunden und nutzen für die Erledigung ihrer Finanzgeschäfte Smartphone, Tablet-Computer oder PC.
Bei einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbandes Bitkom, die am Mittwoch in Berlin veröffentlicht wurde, stellte sich heraus, dass sich der Anteil der Menschen ab 65 Jahren, die ihre Bankgeschäfte online abwickeln, im vergangenen Jahr fast verdoppelt hat: von 22 Prozent auf 39 Prozent. In der gesamten Bevölkerung setzen mittlerweile vier von fünf Befragten (80 Prozent) auf Onlinebanking. Vor einem Jahr lag der Wert noch bei 60 Prozent.
Bitkom-Präsident Achim Berg sagte, die allermeisten Menschen erledigten Bankgeschäfte schon seit einigen Jahren ganz selbstverständlich digital. «Nur die Älteren blieben beim Onlinebanking weitestgehend außen vor. Seit Corona erleben wir einen regelrechten Sturm der Seniorinnen und Senioren auf die Online-Filialen der Banken.»
Menschen, die kein Onlinebanking nutzen, tun dies vor allem «aus Gewohnheit» (87 Prozent). Der Kontakt mit Menschen in der Bank ist drei Viertel (74 Prozent) der Offline-Kunden wichtig. Datenschutzgründe halten 66 Prozent vom Onlinebanking ab. Die Angst vor Kriminellen lässt 61 Prozent zurückschrecken, 51 Prozent ist es immer noch zu kompliziert. Dazu dürfte auch die Umsetzung der Zahlungsrichtlinie PSD2 beigetragen haben, die bei vielen Onlinebanking-Anwendungen zu einem fummeligen Anmeldeverfahren geführt hat.
Bei denjenigen, die online ihre Finanzgeschäfte erledigen, nimmt das Smartphone eine immer stärkere Rolle ein, wie die Umfrage ergab. Zwar liegt der Laptop mit 83 Prozent weiter auf Platz 1, das Smartphone nimmt mit 64 Prozent aber schon auf Platz 2 ein und hat damit den Desktop-PC (51 Prozent) und den Tablet-Computer (44 Prozent) überholt.
Das Digitalangebot einer Bank spielt inzwischen auch eine maßgebliche Rolle, wenn Kundinnen und Kunden sich für ein Institut entscheiden. Zwar liegen hier klassische Auswahlkriterien wie die Höhe der Einlagensicherung (98 Prozent), die Höhe der Bankgebühren (97 Prozent) und kostenlos nutzbare Geldautomaten (97 Prozent) noch vorne. Doch knapp dahinter folgt bereits eine benutzerfreundliche Onlinebanking-App (86 Prozent). Die App ist der Bitkom-Umfrage zufolge inzwischen wichtiger als das Herkunftsland der Bank (82 Prozent), der gebührenfreie Zugang zu Bargeld im Ausland (78 Prozent) oder das Thema Nachhaltigkeit (75 Prozent).
Der Boom des Onlinebanking hat weitreichende Folge für die Banken, die bislang stark auf ihr Filialnetz setzen. In der Bitkom-Umfrage sagen 4 von 10 (38 Prozent) der Onliner, dass sie ausschließlich das Online-Angebot nutzen und gar keinen Kontakt mit Bankangestellten mehr in einer Filiale haben. Rund die Hälfte (53 Prozent) erledigt ihre Bankgeschäfte überwiegend online und besucht nur hin und wieder eine Filiale. Nur noch 7 Prozent gehen überwiegend in die Filiale und nutzen Onlinebanking nur gelegentlich. Vor diesem Hintergrund hatte am Dienstag die Unternehmensberatung PwC Strategy& in einer Analyse des Bankensektors eine große Schließungswelle bei Bankfilialen vorausgesagt.
Großes Potenzial sieht Bitkom noch bei Versicherungen. Denn der Trend zum Onlinebanking dürfte auch Auswirkungen auf diese Branche haben. 57 Prozent derjenigen, die bereits Onlinebanking nutzen, können sich vorstellen, ihre Versicherungsangelegenheiten auch gleich direkt im Onlinebanking zu erledigen. Gleichzeitig sind nur 44 Prozent aller Befragten der Meinung, dass sie einen guten Überblick über ihre Versicherungen haben. Ein Drittel (37 Prozent) würde gerne mehr Versicherungsprodukte digital abschließen. Die Hälfte (53 Prozent) hat bislang schon einmal online eine Versicherung abgeschlossen.