Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) rückt immer weiter vom umstrittenen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, ab. Am Montagmorgen wurde der seit vielen Wochen geplante gemeinsame Auftritt von Faeser und Schönbohm zur Vorstellung des jährlichen BSI-Jahresberichtes vor der Bundespressekonferenz gestrichen. Eine Sprecherin des Ministeriums wollte am Montag allerdings nicht bestätigen, dass die Ministerin sich bereits für eine Ablösung von Schönbohm von dem BSI-Chefposten entschieden hat.
Faeser ist nach dpa-Informationen darüber verärgert, dass der BSI-Chef weiterhin Kontakte zu dem umstrittenen Verein «Cyber-Sicherheitsrat Deutschland» hat, den er vor zehn Jahren selbst mitgegründet und geleitet hatte, der zuletzt aber wegen Verbindungen zu russischen Geheimdiensten in das Kreuzfeuer der Kritik geriet. Mehrere Medien berichteten am Sonntag, die SPD-Politikerin wolle deshalb Schönbohm von seinem Posten entbinden.
Nach Recherchen von «ZDF Magazin Royale»
Die Verbindung von Schönbohm zu dem umstrittenen Verein war zuvor von Jan Böhmermann in der Sendung «ZDF Magazin Royale» thematisiert worden. Eine Sprecherin des Ministeriums erklärte vor der Bundespressekonferenz, man nehme die in den Medien erhobenen Vorwürfe «sehr ernst». «Wir gehen diesen auch sehr umfassend nach – in all ihren Facetten.» Über Personalfragen könne sie «an dieser Stelle zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen». Wie lange die Untersuchung dauern werde, stehe noch nicht fest.
Aus Kreisen verlautete, Schönbohms Besuch beim Jubiläum des Vereins vor einigen Wochen habe demnach das Fass zum Überlaufen gebracht. Das Bundesinnenministerium war allerdings nach einem Bericht des Portals «Business Insider» über die Festrede Schönbohms bei dem Verein informiert worden. Demnach genehmigte Faesers Staatssekretär Markus Richter den Vortrag auf Bitten von Schönbohm am 24. August. Die Sprecherin des Ministeriums erklärte, auch dieser Aspekt werde untersucht.
In den Blickpunkt gerät nun auch immer stärker die Berliner Cybersecurity-Firma Protelion, die Mitglied im «Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.» ist. Das Unternehmen firmierte bis Ende März unter dem Namen Infotecs GmbH. Dabei handelt es sich um ein Tochterunternehmen der russischen Cybersecurityfirma O.A.O.Infotecs, die nach Informationen des Recherchenetzwerks Policy Network Analytics von einem ehemaligen Mitarbeiter des russischen Nachrichtendienstes KGB gegründet wurde. Der war von Russlands Präsident Wladimir Putin für sein Wirken mit einer Ehrenmedaille ausgezeichnet worden.
Vorwürfe gegen Protelion schon vor Monaten
Protelion war bislang auch Mitglied im Bundesverband für den Schutz kritischer Infrastrukturen (BSKI). Der Verband erklärte am Montag, man habe sich entschieden, die Mitgliedschaft des Unternehmens Protelion vorerst ruhen zu lassen. Dabei verwies der Verband auf den Bericht des «ZDF Magazin Royale». «Bis zur vollständigen Klärung der Vorwürfe gegen das Unternehmen Protelion setzen wir die Mitgliedschaft aus», erklärte der BSKI-Vorsitzende Holger Berens. «Die Vorwürfe sind ungeheuerlich, und sollten sie sich bestätigen, werden wir weitere Maßnahmen ergreifen müssen.»
Die Verbindungen von Protelion nach Russland waren vor dem Bericht von Böhmermann bereits vor Monaten in Fachpublikationen erhoben worden. Im Januar berichteten die «Forensic News» über Vorbehalte gegenüber Infotecs in den USA, also zu einem Zeitpunkt, als Protelion in Deutschland noch unter dem Namen Infotecs firmierte. Das Fach-Portal «Intelligence Online» wies nach der Umbenennung der Firma auf die problematischen Querverbindungen nach Russland hin.
Die Sprecherin des Bundesinnenminsieriums verwies am Montag darauf, dass alle IT-sicherheitsrelevanten Produkte für die Bundesverwaltungen und Ministerien vom BSI zugelassen werden müssen. Auf der öffentlich einsehbaren Liste befänden sich weder Produkte von Protelion noch von Infotecs.